Verborgener Genuss – Heimliches Essen und seine Geheimnisse
In der heutigen Folge widmen wir uns dem Thema „heimliches Essen“. Obwohl die meisten Betroffenen denken, sie sind damit allein, ist es ein sehr weit verbreitetes Phänomen. Nicht selten ist es mit Schuld- und Schamgefühlen überlagert, was sich oft als extreme Belastung und Beeinträchtigung äußert. Deshalb holen wir dieses Tabuthema heute quasi ins Licht und betrachten es von verschiedenen Blickwinkeln aus. Woher stammt das Verhalten? Was hat es mit „Good food vs. Bad food“ (Folge 7 vom 24.01.2024) und mit „Stress und dem autonomen Nervensystem“ (Folge 9 vom 07.02.2024) zu tun? Und kann es sein, dass es gar nicht so schlimm ist, wie viele meinen? Vielleicht erfüllt es sogar einen wichtigen Zweck und vielleicht hat unser innerer Rebell mit dem heimlichen Essen eine eigentlich gute Mission. Nämlich uns bei Essensentscheidungen endlich nicht mehr von uns selbst und anderen so reglementieren und maßregeln zu lassen. Hört rein und fühlt euch gleich besser!
Heimliches Essen? Du bist nicht alleine!
Heimliches Essen ist eines von vielen menschlichen Verhaltensmustern und tritt viel häufiger auf, als die Betroffenen selbst denken. Unter anderem liegt das daran, dass dieses Essverhalten oft mit sehr viel Scham- und Schuldgefühlen und damit auch mit einem gewissen Isolationsgefühl einhergeht. Das heißt, viele Betroffene glauben, sie seien die einzigen, die sich so verhalten. Unter Umständen schämt man sich extrem und traut sich nicht darüber zur reden. Deshalb wird das Thema hier behandelt, um es zu enttabuisieren und genauer unter die Lupe zu nehmen.
Was versteht man unter heimlichem Essen?
Heimliches Essen kann von einem gewissen freudvollen, heimlichen Genuss, wenn man (endlich) allein ist bis hin zu ernstzunehmenden Essstörungen reichen. Während man auf der einen Seite des Spektrums meist nicht darunter leidet, sondern sich vielleicht sogar insgeheim über die kleinen Freiheiten freut, kann der Leidensdruck auf der anderen Seite extrem sein. Die erwähnten Schuld- und Schamthematiken können durchs heimliche Essen immer wieder aktiviert und verstärkt werden und in einer Spirale aus Scham und Selbstbestrafung enden. Um daraus auszubrechen, braucht es oft professionelle Hilfe. Dennoch gibt es auch viele Selbsthilfetools, die den Leidensdruck langsam verringern können.
Warum wir heimlich essen
Die Gründe für dieses Essverhalten können sehr vielfältig und individuell sein. Vielleicht liegen sie bereits lange zurück, weil in der Kindheit bestimmte Lebensmittel verboten waren und man sie sich doch heimlich geschnappt hat. Überhaupt ist die Idee von „Good food vs. Bad food“ (siehe auch Podcastfolge 7 vom 24.01.2024) oft ein zentraler Punkt. Denn der Gedanke, dass es eben Lebensmittel gibt, die man nicht essen darf, macht heimliches Essen oft erst notwendig. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird nämlich nicht Brokkoli oder Salat heimlich gegessen, sondern meist Nahrungsmittel von der sogenannten „verbotenen Liste“ – d.h. Süßigkeiten, Fast Food und dergleichen.
Ein häufiges Thema ist aber auch Body Shaming und generell ein oder mehrere negative Erlebnisse und Situationen, Kommentare, Blicke etc. von außen, die uns oft schon früh zu verstehen gegeben haben, dass wir etwas nicht essen sollten. Die Scham über unseren Körper, die vermeintlich mangelnde Disziplin und das damit einhergehende Genuss-Verbot sitzen oft tief. Der innere Rebell kommt dann oft zum Vorschein und nimmt sich heimlich, was er sich in Gesellschaft von anderen versagt.
Nicht selten spielt dabei auch die Diätmentalität und -kultur, in der wir leben, eine wesentliche Rolle. Restriktion, Zwang und Selbst-Kasteiung werden immer noch hochgepriesen. Restriktives Essverhalten bewirkt jedoch meist, dass dem Körper zu wenig Nährstoffe zugeführt werden, die er sich – wenn nötig heimlich – wieder holt.
Bemerkt man hingegen, dass dieses Essverhalten immer nur von einer bestimmten Person, bestimmten Personen oder in bestimmten Situationen auftritt, kann dies ein deutlicher Hinweis dafür sein, dass wir uns in Gegenwart besagter Personen nicht sicher und wohlfühlen. Dann wäre zu überlegen, ob man sich den Personen bzw. Situationen überhaupt weiter aussetzen möchte.
Was wir durchs heimliche essen verlieren
Wenn wir etwas Heimliches, Verbotenes tun, müssen wir es auch vertuschen. Wir brauchen oft einen Plan oder müssen schnell und hastig handeln – in dem Fall essen –, um ja nicht erwischt zu werden. Extremer Stress ist die Folge und nicht selten wird unser gesamtes Leben davon beeinträchtigt, ganz zu schweigen von unserer Verdauung, die oft mit Blähungen und Unwohlsein reagiert. Je größer der Stress ist, desto wahrscheinlicher brauchen wir jedoch wieder einen Ausgleich, eine Art Druckabbau. So trägt Stress nicht nur zur Entstehung von heimlichem Essverhalten bei, sondern auch zu dessen Aufrechterhaltung.
Selbst wenn das heimliche Essen eigentlich unsere einzige Zeit des Tages ist, in der wir uns etwas Raum nehmen – innerer Rebell – , können wir sie durch all die moralischen Überlagerungen nicht wirklich genießen.
Nicht zu unterschätzen ist auch der negative Effekt, den Schuld- und Schamgefühle auf unser Wohlbefinden haben können. Wir fühlen uns fast wie Verbrecher, isoliert, als Versager und allein mit
dem Geheimnis und der Scham.
Vom Problem zur Lösung
Aber was, wenn das heimliche Essen per se gar nicht das Problem ist. Was, wenn man sich erlauben würde, heimlich zu essen? Wenn es kein „gutes bzw. schlechtes“ Essen gäbe und Essen nicht verboten wäre? Was, wenn wir uns Genuss sogar immer erlauben könnten, egal was und unter welchen Umständen wir essen?
All diese Fragen und mehr sollen Anregungen sein für verschiedene Perspektiven auf das Thema. Ein Schlüsselelement ist einmal mehr das Selbst-Mitgefühl und ein sanfter, verständnisvoller Umgang mit sich. Denn heimliches Essen erfüllt immer einen Zweck und es gibt einen Grund, warum man sich so verhaltet. Und je mehr wir uns mit Mitgefühl und Verständnis begegnen, desto eher kann sich alles Belastende daran auflösen. Wir können wieder durchatmen und uns freier fühlen.
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